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Franz Wenzel

Soziale Marktwirtschaft und Disruptive Innovation

ein kooperativer Impuls für eine schwierige Beziehung
Forschungsartikel

Franz Wenzel
franz.wenzel@cooperative-innovation.com
+49 179 7640164 (mobile, whatsapp, imessage, text)

Das Wesen der Sozialen Marktwirtschaft

In einer Marktwirtschaft hat der Staat die Aufgabe den freien Wettbewerb zu sichern. Den Rest – da sind sich die Überzeugungstäter der freien Marktwirtschaft einig – regelt der Markt. Sicher ist das ein erfolgreiches Konzept. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Der Preis und die Nachfrage fordern die Angebotsseite heraus. Der Preis und das Angebot bestimmen – das heißt treiben oder bremsen – die Nachfrage. Das ist eine Art Kräftedreieck, systematisch betrachtet.

Auf dieses Kräftedreieck können alle Marktteilnehmer einwirken, also über den Preis und ihr Angebot bzw. ihre Nachfrage. Wo keine Märkte sind, werden durch geschickte Werbung zuerst Wünsche, dann Märkte gemacht. Im Spiel aus Angebot und Nachfrage werden im Gleichgewichtspreis Märkte geräumt. Diejenigen die auch unterhalb des Marktpreises angeboten hätten, realisieren im Gleichgewichtspreis eine Produzentenrente, diejenigen, die auch mehr bezahlt hätten, erhalten im Marktgleichgewicht eine Konsumentenrente. Und alle sind glücklich.

Wirklich? Alle sind glücklich? Sicher nicht, denn es bleiben z.B. Anbieter zurück, die ihr relativ teueres Angebot zu einem zu hohen Preis nicht verkaufen konnten. Und weil sie z.B. einfach nicht günstiger produzieren können, ist eine längerfristige Preisreduzierung nicht möglich. Und natürlich gibt es auch Nachfrager, die den geforderten und markträumenden Gleichgewichtspreis schlicht nicht zahlen konnten, vielleicht mangels Liquidität oder mangels Kreditlinie, vielleicht auch wegen des Investitionsvolumens, das außerhalb ihres möglichen Bereichs liegt. Und die hätten das nachgefragte Gut viellecht wirklich haben wollen oder sogar dringend gut gebrauchen können.

Es könnte sogar sein, dass bestimmte Güter nicht oder nicht in ausreichender Mindestmenge (mit Blick auf den Versorgungsbedarf der Bevölkerung) angeboten werden. Es gibt aus den verschiedensten denkbaren Gründen z.B. kein Angebot oder die Produktion fließt ins Ausland ab oder von dort nicht zu (weil andernorts z.B. ein besserer Preis bezahlt wird). Es könnte auch sein, dass allem Wettbewerbsschutz zum Trotz, Monopole entstehen – das wäre das Ende des internen Antriebs der Marktwirtschaft, der Wettbewerbsmotor würde stocken und schließlich ausfallen. Auch leistungsfähige Systeme können kollabieren.

Die Marktwirtschaft funktioniert insgesamt ganz gut, aber sie liefert nicht die besten Angebotsbedingungen – zumindest dann nicht, wenn man eine ökonomisch, gesellschaftlich und ganz persönlich vielfältige Bevölkerung bestmöglich zu versorgen hat. In Deutschland, in den schrecklichen Ruinen und dunklen Verheerungen nach dem zweiten Weltkrieg, war die Soziale Marktwirtschaft das Instrument der Wahl. Von Alfred Müller-Armack (*28.06.1901, +16.03.1978) maßgeblich erdacht und Ludwig Erhard (*04.02.1897, +05.05.1977) geschickt und termingenau propagiert, schuf sie dem Deutschen Volk (und später der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) “Wohlstand für Alle!” (Ludwig Erhard). In nie zuvor gesehener Durchschlagskraft war die Soziale Marktwirtschaft so konstruiert, dass die Wirtschaft selbst in den Dienst der Menschen gestellt wurde, das Versorgungsziel also nicht-monetäre Profite jenseits der maximierten Profitlinie vorsah und diese auch politisch anstrebte.

Aber Zeit vergeht. Und hier und da wird etwas geregelt oder verändert. Und die Soziale Marktwirtschaft leidet schnell und hart unter primitiven handwerklichen Fehlern politischer Entrepreneure. Sie ist sehr empfindlich, schließlich kann dem Wähler von geschickten Politikern und woken Influencern unter dem Vorwand “für das Wohl der Bürger” jedes sinnfreie Wahlgeschenk, jede noch so teure Subvention, jede Klientel-Komfortzone angedreht werden. Der Markt wird eingeschränkt oder er erhält kuriose Auswüchse. Ein wichtiger Punkt, den brauchen wir später noch.

Der Kern der Disruptiven Innovation

Innovation ist die Anwendung und die Verwertung einer Erfindung auf dem Markt. Die Erfindung selbst taugt alleine nicht. Vielmehr ist es die Anwendung, die Problemlösung, die dem Kunden den (potentiellen) Vorteil bringt und ihn zum Kauf der Erfindung innerhalb der Anwendung animiert. Innovation ist die große Feder, der Antrieb in der Wirtschaft. Die Suche nach immer neuen Lösungen ist gleichzeitig die Suche nach immer neuen Dingen, die sich Kunden wünschen und für die Sie parallel zur Kaufbereitschaft eine (möglichst große) Zahlungsbereitschaft haben könnten.

Und diese Suche wird mit Nachdruck verfolgt. Schließlich steht man als Anbieter in einem Zeit-, Kosten- und Qualitätswettbewerb um die Gunst der (knappen kaufkräftigen) Nachfrager. Da wundert es nicht, dass dort, wo gehobelt wird, auch Späne fallen und mit unternehmerischer Leidenschaft disruptive innoviert wird. Ob sich der Ökonom und Gentleman Joseph Schumpeter (*08.02.1883, +08.01.1950) seine “Kreative Zerstörung” so vorgestellt hat, wie Clayton Christensen (*06.04.1952, +23.01.2020) die oft als “einflussreichste ökonoische Theorie des frühen 21. Jahrhunderts” bezeichnete “Disruptive Innovation” definiert hat? Schnell wird heute das Alte einfach beiseite geschoben, um Platz für das Neue zu schaffen. Ein sozialverträglicher Umbau der eingesetzen Ressourcen und eine ruhige Hand (mit viel Zeit für die vom Veränderungsdruck betroffenen Personen zum Verarbeiten der erlebten Veränderungen) sind oft nicht das Mittel der Wahl.

Die disruptive Innovation verliert in ihrem Wettbewerbskern die Achtsamkeit in der Ressourcennutzung bzw. im Ressourcenumbau. Vor allem Humanressourcen und Ressourcen unserer natürlichen Umwelt werden schonungslos im Wettbewerb verbraucht. Damit kollidiert der tatsächliche Wesenskern der destruptiven Innovation (also einer Innovation die meist zu originärem Wachstum, zu bloßem Mengenwachstum, führt) mit den zentralen Wesenszielen der Sozialen Marktwirtschaft. Disruptive Innovation führt nicht zu (langfristigem) “Wohlstand für Alle!”, vielmehr führt sie zu (kurzfristigem) disruptivem Wettbewerb und im Endergebnis zu einem Wirtschaftmotor, der nicht rund läuft – und zu einer dysfunktionalen Gesellschaft, die unter den Disruptionen und ihren Konsequenzen leidet. Und um den zuvor festgestellten Punkt aufzugreifen: damit ist die disruptive Innovation tatsächlich einer dieser kuriosen Auswüchse eines eingeschränkten (will sagen nur begrenzt wirklich funktionsfähigen) Marktes.

Kooperative Innovation

An genau der Stelle der achtsamen Ressourcennutzung bzw. des achtsamen Ressourcenumbaus setzt die Kooperative Innovation an. Neben der Förderung der direkten Vorteile dieser Vorgehensweise hebt sie die Kostenvorteile der Konfliktvermeidung – ganz im Gegensatz zu disruptiver Innovation. Und es gibt einen weiteren Vorteil: in einem kooperativen Lösungsmindset wird die Kooperative Innovation schließlich einen kräftezehrenden Wettbewerb um neue Ideen vermeiden bzw. positivieren, indem sie Kräfte bündelt und diese nicht sinnlos verschleißt. Auch politische Verfehlungen oder ideologische Irrwege wird ein kooperatives Mindset minimieren oder sogar vermeiden, denn Kooperation berücksichtigt alle verfügbaren Lösungsansätze.

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erstelllt am 19.11.2016
zuletzt aktualisiert am 28.09.2024

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