Disruption vs. Kooperation: Ein Theaterstück
Oft ist das Leben einer Theaterinszenierung in Echtzeit sehr ähnlich. Man kann, bei genauem Hinsehen und etwas Verständnis für die unterschiedlichen Hintergründe und Antriebe der Protagonisten, viel lernen und mindesens ebenso viele Fehler vermeiden. Was man lernt ist als Lösungsansatz auf neue oder andere Anwendungsfälle übertragbar, die ähnlich gelagert sind, ähnliche Problemstellungen oder ähnlich (denkende) Protagonisten aufweisen.
Unser Theaterstück ist ein Drama. Es geht um Taxifahrer. Und um Uber, einen Dienst zur elektronischen Fahrtvermittlung und Abwicklung bzw. Bezahlung der Fahrt, der selbst kein einziges eigenes Taxi hatte (damals, zu der Zeit, da sich dieses Drama abspielt) und den Taximarkt disruptieren wollte. Der Ort ist Deutschland, das Konzept heißt “Disruption”.
Erste Version der Theaterstücks: Disruption
Erster Akt (erste Version des Theaterstücks: Disruption), Vorhang auf!
Szene: Die Taxifahrer sitzen in ihrer Stammkneipe und trinken ein oder zwei Gläser Feierabendbier. Es ist keine sehr schöne Kneipe aber dort trifft sich “die Familie” der Taxifahrer, Konkurrenten auf der Straße, aber Brüder zu Hause. Prost! Plötzlich wird die Lokaltüre brutal aufgestoßen, ein kalter Wind weht durchs Lokal, vielleicht flackert kurz die Beleuchtung und herein kommt ein smarter Unternehmertyp.
Unternehmertyp (mit lauter Stimme): “Taxifahrer! Ich bin Uber!”
Der Unternehmertyp tritt forsch an einen Tisch heran, zieht einen relativ kleinen Taxifahrer am Hemdkragen hoch und schlägt ihm mit der flachen Hand ins Gesicht!
Unternehmertyp (langsam, mit einem breiten Grinsen im Gesicht und mit bestimmter Stimme): “Ich bin Uber! Ich übernehme eure Jobs mit meinen Amateurfahrern. Ihr seid raus! Ihr könnt nach Hause gehen.”
Ende erster Akt (erste Version des Theaterstücks: Disruption), Vorhang zu!
Zweiter Akt (erste Version des Theaterstücks: Disruption), Vorhang auf!
Szene: Der Taxifahrer (der aus der Kneipe von zuvor, der von dem smarten Unternehmertyp ins Gesicht geschlagen wurde) kommt nach Hause. Es ist eine kleine Wohnung, die Frau könnte sein Frau sein oder seine Lebensgefährtin oder auch seine Mutter. Der Fernseher läuft im Hintergrund, vielleicht eine Gerichtsshow oder ein Realityformat. Die Frau sieht den Taxifahrer an.
Die Frau sagt mit drohendem Unterton: “Wie siehst du denn aus? Was hast du ausgefressen?”
Der Taxifahrer sagt betroffen: “Uber hat mich ins Gesicht geschlagen. Uber sagt, mein Job ist weg. Uber sagt, meinen Job machen jetzt deren Amateurfahrer. Uber sagt, ich kann nach Hause gehen.”
Die Frau überlegt kurz und sagt zum Taxifahrer (im Weggehen in Richtung Fernsehgerät): “Du solltest dieses Uber verklagen. Diese ganzen Amateurfahrer. Das kann nicht gut sein. Ihr habt doch eine Taxilizenz, oder?”
Ende zweiter Akt (erste Version des Theaterstücks: Disruption), Vorhang zu!
Dritter Akt (erste Version des Theaterstücks: Disruption), Vorhang auf!
Szene: Der Taxifahrer (wieder der von zuvor) sitzt jetzt vor Gericht. Neben einem augenscheinlich teuren Anwalt. Auf der Klägerbank. Die Szene hat viele Zuschauer, viele Taxifahrer, die Funkzentralen der Taxifahrer haben Vertreter geschickt, die Politik ist da und reichlich Presse. Von draußen, durch ein Fenster, fällt komisches Licht herein. der Tag kann sich nicht entscheiden ob die Sonne scheint oder ob es regnet.
Der Richter verkündet mit offizieller Stimme: “Und deshalb ergeht im Namen des Deutschen Volkes folgendes Urteil: Die Tätigkeit des Taxivermittlungsdienstes Uber wird in Deutschland mangels verschiedener Lizenzrechte untersagt!”
Ende dritter Akt (erste Version des Theaterstücks: Disruption), Vorhang zu!
Beifall? Wir lernen, dass es problematisch ausgehen kann, wenn man in Kriegslaune die Szene betritt, um sich schlägt und seine Forderungen stellt. Der Gegener könnte unglücklich sein und sich erfolgreich zur Wehr setzen. Im besten Fall gibt es gerötete Wangen und ein zwei blaue Augen, es kann aber auch hohe Kriegskosten und verbrannte Erde geben. Wilde Disruption hat Untiefen.
Die Realität war ganz ähnlich: die Versuche den (deutschen) Taximarkt zu betretet wurden von den bisherigen Marktteilnehmern protektionistisch abgewehrt. Erst über viele Jahre wurde der Markt etwas offener, Verlierer gab es viele. Der Gesamtschaden, auch für eine Gesellschaft, die Innovation sehr nötig hat, dürfte immens sein. Zwischenzeitlich ist sogar der Totalschaden eingetroffen, für das Geschäftsmodell von Uber aber auch für die (deutsche) Gesellschaft – die hätte als Ganzes und mit allen beteiligten individuen profitieren können. Die Taxifahrer wären fleißig gefahren statt sinnlos auf Kundschaft zu warten. Die Taxizentralen hätten das (manchmal altbackene) Profigeschäft organisiert und damit der (konservativen) Profiliga gedient. Und das (moderne) Neugeschäft per App und die (damit einhergehenden) Verhaltensveränderungen der jüngeren und dynamischen Nutzer hätte Uber abbilden können. Die Gesellschaft könnte in der (nationalen) Verkehrswende (gelegentliche oder systemisch genutzte) Taxidienste obendrein gut gebrauchen, Taxidienste könnten sogar Teil der Sharing Economy sein stett mit ihr (nur) zu konkurrieren.
Zweite version des Theaterstücks: Kooperation
Erster Akt (zweite Version des Theaterstücks: Kooperation), Vorhang auf!
Szene: Die Taxifahrer sitzen in ihrer Stammkneipe und trinken ein oder zwei Gläser Feierabendbier. Es ist keine sehr schöne Kneipe aber dort trifft sich “die Familie” der Taxifahrer, Konkurrenten auf der Straße, aber Brüder zu Hause. Langsam wird die Lokaltüre geöffnet, ein lustiges kleines Glöckchengebamsel an der Tür klingelt fröhlich und kündigt einen neuen Gast an, ein frischer Hauch warmer Abendluft weht durchs Lokal und herein kommt ein freundlicher Unternehmertyp. Er läutet die große Glocke über der Tür: Lokalrunde! Ein Freibier für Alle!
Unternehmertyp (mit freundlicher Stimme): “Hallo Taxihelden! Ich bin Uber. Wollen wir zusammen ein Bier trinken und über eine spannende Idee sprechen?”
Die Taxifahrer schauen ihn an, einer lächelt, einer trinkt sein Bier, ein Gespräch beginnt.
Ende erster und letzter Akt (zweite Version des Theaterstücks: Kooperation), Vorhang zu!
Beifall! Standing Ovations! Zugabe! Man will intuitiv mehr davon und so kann sich Kooperation auswirken. Eine Idee wird gut und ohne Drohgebärden erklärt, sie findet breiten Support und kann schnell und ohne unproduktiven Zusatzaufwand am Markt realisiert werden. Kooperation ist spieltheoretisch die dominante Strategie und sie schafft Win-Win-Szenarien. Es sind sogar noch mehr “Wins” möglich, z.B. für die Gesellschaft oder die Umwelt.
So hätte es für Uber laufen können, der Markt hätte schneller und zu viel niedrigeren Kosten betreten werden können. Kooperative Innovation schafft Gewinner und vermeidet Verlierer. Gesellschaftlich wird die bessere Marktallokation erreicht. Kooperation vermeidet auch teure Totalverluste und sie spart den Menschen und der Gesellschaft vergebene Arbeitszeit und unproduktiven Kraftaufwand.